Familie Salis-Samedan

Ein altes Schwarzweissfoto. Ein grosses Doppelhaus im Engadiner Stil, das Dach ist schneebedeckt. Davor ein schneebedeckter Platz.
Der Stammsitz der Familie Salis in Samedan (heute Chesa Planta). Der Ausbau zum Doppelhaus erfolgte 1760.

Von Soglio nach Samedan

Im 16. Jahrhundert liessen sich mehrere Söhne des Rudolf von Salis-Soglio in Samedan nieder, dem Heimatort ihrer Mutter Anna Mysaun. Friedrich heiratete 1544 Ursina Travers, eine Tochter des Reformators Johann Travers, und setzte sich auch selber für die Reformation im Engadin ein – zusammen mit Pietro Paolo Vergerio, der in den Briefen der Bsatta Lodovica in «Bergünerstein II Der Mord» erwähnt wird.

Hausbau in Etappen

Friedrich von Salis starb 1570; fortan war sein Sohn Johann das Oberhaupt der Salis in Samedan. 1595 baute Johann sein Haus aus – den Nordflügel bzw. linken Teil der heutigen Chesa Planta. 1760 wurde das Haus zu seiner heutigen Grösse «verdoppelt», 1817 ging es in den Besitz der Familie Planta über. Heute ist es eine Stiftung und beherbergt unter anderem eine bedeutende Bibliothek, mit unzähligen Werken aus der Zeit von «Bergünerstein».

Die Fotografie von Annemarie Schwarzenbach zeigt das Haus im Jahr 1936, mit Sgraffiti wahrscheinlich aus der Zeit des Ausbaus zum Doppelhaus.

Vicari Johann von Salis

Johann von Salis-Samedan war der einzige Sohn des Friedrich von Salis und der Ursina Travers. Nach seiner Mutter bzw. seinem berühmten Grossvater mütterlicherseits wurde er auch Johann Travers von Salis genannt. Er lebte von 1546 bis 1624 und war dreimal verheiratet. Mit seiner ersten Ehefrau, Eva von Planta, hatte er 19 Kinder. Seine zweite Frau war Catarina Curo aus Bever, die dritte war Ursula v. Stockar aus Schaffhausen. Schaffhausen war denn auch das Ziel der Familie Salis-Samedan, als sie im Herbst 1621 durch Bergün vor den anrückenden Österreichern flüchtete.

Politiker und Parteigänger Venedigs

Der Titel des Vicari geht auf seine Tätigkeit als Vicari des Veltlins in den Jahren 1583 bis 1585 zurück. Und wahrscheinlich kam er zwanzig Jahre später noch zwei Mal zu kurzen Einsätzen als Vicari: einmal nach der vermuteten Absetzung von Vicari Albert Dietegen von Salis 1602 und einmal als Vertreter des angeblich überforderten Bartholomäus Caflisch 1604.

Zeit seines Lebens war Johann von Salis ein vehementer Befürworter einer Allianz mit Venedig.

Bergbauunternehmer

Das Hauptbetätigungsfeld von Johann von Salis war aber nicht die Politik, sondern das Geschäftsleben, insbesondere der Bergbau. Er betrieb zahlreiche Bergwerke in den Drei Bünden und verfügte über weitverzweigte Geschäftsbeziehungen. Der Erzabbau am Murtel da Fier und im Val Tisch bei Bergün war somit nur ein Geschäft von vielen – aber offenbar eines, das von Beginn an schlecht lief. Immer wieder kam der Betrieb mangels Kapital zum Erliegen, immer wieder wurde er nach Kapitalzuschüssen von neuen Geschäftspartnern wieder aufgenommen. Doch 1615 scheint Johann von Salis den Bergüner Betrieb endgültig aufgegeben zu haben.

Eine Berglandschaft, weit über der Baumgrenze. Auf dem Boden menschgemachte Gruben, teilweise mit Wasser gefüllt.
Spuren des Bergbaus am Murtel da Fier im Val Plazbi bei Bergün

Eva von Salis-von Planta

Johann von Salis war dreimal verheiratet, am längsten mit seiner ersten Frau Eva von Planta-Zuoz. Sie starb 1586, wahrscheinlich bei der Geburt ihres neunzehnten Kindes. Eva von Planta galt als gebildete Frau; über sie bzw. ihren Vater Thomas schrieb Chronist Durich Chiampell 1573: «Dieser lebt heute im Greisenalter in Zuoz und ist für seinen Reichtum und seine Umsicht sehr bekannt. Obwohl er nur eine einzige Tochter hatte, liess er sie, soweit es möglich war, in den Wissenschaften ausbilden und verheiratete sie mit einem ausnehmend gelehrten jungen Mann, Johann von Salis von Samedan.»

Kleider und Schmuck an die Töchter

Von Eva von Salis ist ihr Testament erhalten, das sie am 16. August 1586 verfasste. Auf dreieinhalb Seiten zählt sie auf, welche ihrer Kleider und persönlichen Besitztümer welcher Tochter zukommen sollte. Dies entsprach dem damaligen Erbrecht: nur persönliche Gegenstände von geringem Geldwert konnten per Testament vermacht werden. Häuser, Land, Tiere etc. mussten in Realteilung unter allen Nachkommen geteilt werden.

Ein altes, handgeschriebenes Dokument auf Italienisch. Den Töchtern Cecilia, Lucretia und Ursina werden persönliche Gegenstände vermacht.
Das Testament von Eva von Planta mit den Vermächtnissen für die Töchter Cecilia, Lucretia und Ursina

Cilgia von Salis

Die zweite Tochter von Johann und Eva Salis-Samedan hiess Cecilia oder romanisch Cilgia. Sie wurde 1566 geboren und heiratete 1588 Johann Schalkett von Bergün (Giannin aus Band I «Der Krieg»). Schon 1591 starb sie, bei oder nach der Geburt ihres Sohnes Johann Peter (Gian Pedrin aus Band I «Der Krieg»). Von Cilgia von Salis sind einige Briefe auf Deutsch und Romanisch erhalten, die sie nach Samedan an ihre Familie geschickt hatte. Hier einer auf Romanisch von 1591:

Ein alter, handgeschriebener Brief auf Romanisch. Unterschrieben von Cilgia Salisch.
«sajas salüdos da mia vart e davart da Schalkett» – seid gegrüsst von mir und Schalkett. Cilgia an ihre Brüder in Samedan, 1591

Ursina von Salis

Ursina von Salis war die älteste Tochter von Johann und Eva von Salis. Sie wurde 1565 geboren und heiratete 1614 Cla Gregori von Bergün – Mastrel Cla aus «Bergünerstein I Der Krieg». Es scheint ihre erste Ehe gewesen zu sein.

Handschriftlicher Eintrag aus dem Ehebuch von Bergün: S. Ml. Cla Gregorij und Dna Ursina Salice
Eintrag im Ehebuch von Bergün: Am 11. Oktober 1614 heiratete Ursina Salis den Cla Gregori von Bergün

Mastrel Cla Gregori starb vor 1622. Ursina kehrte danach wohl nach Samedan zurück, denn 1624 korrespondierte sie von dort mit ihrem Neffen Johann Peter, dem Sohn ihrer Schwester Cilgia. Johann Peter lebte inzwischen in Tomils und hatte sich dort mit Ursula von Planta-Rhäzüns verheiratet. Für sie kaufte er seiner Tante Ursina einigen Schmuck ab.

Handschriftlicher Brief auf Romanisch, unterschrieben mit Tia chaera Ambda Ursina Salis
«Noebbel chaer neiff S Ian Peider»: Ursina Salis an ihren Neffen, 1624

Andrea Salice

1624 starb Vicari Johann von Salis. Das grosse Haus in Samedan blieb im Familienbesitz. Zur Zeit von «Bergünerstein II Der Mord» lebte der jüngste Sohn darin: Andrea Salice. Andrea wurde 1582 geboren und war somit in den 1660er-Jahren bereits ein alter Mann. Mit seiner Frau Lucia Peri aus Chiavenna hatte er acht Kinder, darunter die Söhne Gian und Andrea, die in «Bergünerstein II Der Mord» mehrfach erwähnt werden.

Zehn Jahre Tagebuch

Über Andrea Salice sind wir besonders gut informiert, denn er hat über die letzten zehn Jahre seines Lebens ein Tagebuch geschrieben, das erhalten ist. Salice notiert kleine Ereignisse des Alltags, die Wäschetage, das Dreschen, aber auch politische Ereignisse oder beispielsweise das Fest vom 18. Mai 1663, mit dem in «Bergünerstein II Der Mord» die Geschichte von Mengia beginnt. Auch über die Hinrichtungen der «Hexen» im Sommer 1663 sind wir nur aus diesem Tagebuch informiert.

Ausschnitt aus einer alten  Handschrift auf Italienisch. Der Tagebucheintrag erwähnt ein Festessen am 18. Mai 1663 zu Ehren des Sohnes Giovanni und seines Amtes (ufficio).
Tagebucheintrag vom 18. Mai 1663: Andrea Salice berichtet über das Festessen für seinen Sohn Giovanni.

Literatur

Quellen/Bildnachweise

Fotografie Chesa Planta: Annemarie Schwarzenbach, 1936, Schweizerisches Literaturarchiv, SLA-Schwarzenbach-A-5-08-126

Fotografie Murtel da Fier/Val Plazbi: FGB Freunde des Bergbaus in Graubünden, Elsbeth Rehm

Testament Eva von Planta: Staatsarchiv Graubünden, StAGR D II a 25, 16. August 1586

Brief Cilgia von Salis: Staatsarchiv Graubünden, StAGR D II a 25, 6. Juni 1591

Ehebuch Bergün: Gemeindearchiv Bergün und Staatsarchiv Graubünden (Mikrofilm)

Brief Ursina von Salis: Staatsarchiv Graubünden, StAGR A Sp III 8y IV04

Andrea Salice: Diario Andrea Salice, Staatsarchiv Graubünden, StAGR 329, Seite 166

Literatur

Die Chesa Planta auf baukultur.gr.ch

von Salis-Soglio, Nikolaus: Die Familie Salis. Lindau, 1891

Head, Randolph C.: Sprachgebrauch und Sprachbewusstsein im Salis-Briefwechsel, 1580-1610. Bündner Monatsblatt, 1996

Kaiser, Adolf: Die Nachkommen des Staatsmannes Johann Travers von Zuoz in den ersten sechs Generationen. Jahresbericht der Historisch-Antiquarischen Gesellschaft von Graubünden, 1955.

Collenberg, Adolf: Die Bündner Amtsleute in der Herrschaft Maienfeld 1509–1799 und in den Untertanenlanden Veltlin, Bormio und Chiavenna 1512–1797. Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Graubünden, 1999

von Planta, Peter Conradin: Der Bernina-Bergwerkprozess von 1459–1462 und die Bergbauunternehmungen des Johann von Salis 1576–1618. Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Graubünden, 2000

Chiampell, Durich: Das alpine Rätien. Topographische Beschreibung von 1573. Zürich, 2022